Department for
German Language and Literature
Faculty of Humanities and Social Sciences University of Zagreb
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ZGB-Beiheft 8 - M. Bobinac, W. Düsing, D. Goltschnigg (Hg.): Tendenzen... - Inhalt / Sadržaj Print

Viktor ŽMEGAČ (Zagreb)
Geschichtsphilosophie auf der Bühne

Der Titel des Beitrags bezieht sich auf den Umstand, daß repräsentative Dramen des 20. Jahrhunderts auf eine sehr bezeichnende Weise auf die Behandlung geschichtlicher (in herkömmlicher Art) verzichten, u. zw. zugunsten geschichtsphilosophischer Projektionen (Frisch, Dürrenmatt, Beckett, Dorst, Turrini u.a.). In der Analyse dieser Wandlung geht der Vf. von Kants geschichtsphilosophischer Triade in der Schrift Der Streit der Fakultäten aus. Dabei drängt sich der Schluß auf, daß paradigmatische Werke des 20. Jahrhunderts eine Art von Katastrophendramatik darstellen: Allegorien des Untergangs. 


Hugo AUST (Köln)
Vom Nutzen des historischen Romans für das zwanzigste Jahrhundert

Angeregt durch Nietzsches unzeitgemäße Betrachtung geht es um die Evaluation einer Romanform zur Zeit jenes nunmehr zurückliegenden Jahrhunderts, das sich durch ein auffallendes Nach- und Nebeneinander von hohen Errungenschaften, brutalem Terror, abgrundtiefen Katastrophen und fröhlicher Event-Stimmung auszeichnet. Was den Nutzen des historischen Romans betrifft, so schneidet das Genre bei der Abwägung nicht schlecht ab. Er ist eigentlich überall ‘dabei', obwohl er doch dem Namen nach seiner jeweiligen Gegenwart eher den Rücken zukehrt. Aber in seinem ‘Rückspiegel' sieht er erstaunlich viel, und zwar nicht nur das weit Zurückliegende, sondern auch das Näherkommende und Überholende. 


Reinhard LAUER (Göttingen)
Zur Typologie des russischen historischen Romans - im Vergleich mit dem europäischen Schicksal der Gattung

Es werden fünf Modelle des russischen Geschichtsromans beschrieben: der Roman nach dem Vorbild W. Scotts in der Romantik; L.N. Tolstojs Romankoloss Krieg und Frieden, der zum Muster der Roman-Epopöe als Hauptgattung des Sozialistischen Realismus avancierte; der nur ansatzweise ausgebildete kulturhistorische Roman nach dem Vorbild W.H.Riehls; der symbolistische Geschichtsroman sowie der mimetische bzw. polyphone Geschichtsroman in der Tauwetter-Literatur. Die unterschiedlichen Gattungsformen werden in Bezug zur deutschen und europäischen Entwicklung gesetzt. 


Dietmar GOLTSCHNIGG (Graz)
Literarische Darstellungen der hessischen Revolutionsbewegungen im Vormärz


Carsten JAKOBI (Mainz)
Negative Utopie und Geschichtsdichtung im 20. Jahrhundert

Die Negative Utopie, eine der wichtigsten Romangattungen des 20. Jahrhunderts, wird in der Regel als umgepolte Fortsetzung der Positiven Utopie behandelt. Indes: Die Wirklichkeitsauseinandersetzung vollzieht sich in der Negativen Utopie auf kategorial verschiedene Weise: Sie gestaltet nicht den Maßstab ihrer Kritik an Gegenwartsphänomenen, sondern ein hyperbolisches Abbild der Gegenwart. Dieses Verfahren teilt sie mit der Satire, aber in bestimmten Hinsichten auch mit der Geschichtsdichtung. Am Beispiel von zwei Romanen, Arno Schmidts Gelehrtenrepublik (1957) und Paul Gurks Tuzub 37 (1935), wird der These nachgegangen, daß die Negative Utopie eine Sonderform der historischen Dichtung des 20. Jahrhunderts ist und genau wie diese sich in zwei Varianten realisiert: als historische Parabel und als geschichtsphilosophische Reflexion. 


Beatrix MÜLLER-KAMPEL (Graz)
Kanonisierungsrhetorik. Am Beispiel historischer Romane (1890-1914) in Literaturgeschichten

Nach Pierre Bourdieu stellt die Textsorte Literaturgeschichte eine gewichtige Konsekrations- bzw. Kanonisierungsinstanz dar. Der Beitrag beleuchtet davon ausgehend in Form einer Fallstudie die spezifische Rhetorik kanonisierenden Sprechens in Literaturgeschichten. Im Mittelpunkt stehen systematisch recherchierte normpoetologische Äußerungen zu historischen Romanen, die zwischen 1890 und 1914 erschienen und heute als positiv oder negativ kanonisiert anzusehen sind. Chronologisch nach dem Erscheinen der insgesamt 27 ausgewerteten Literaturgeschichten geordnet, ergeben sich aus den vergebenen Zensuren synchrone Phasen des literaturgeschichtlichen Wertens und Urteilens, hinter denen eine diachrone Entwicklung kanonisierenden Sprechens erkennbar wird. 


Marijan BOBINAC (Zagreb)
Gaismair - Hofer - Jeanne d'Arc. Zur Figur des scheiternden Rebellen im historischen Volksstück um 1900 und um 2000

Anhand einiger Bühnenwerke von Franz Kranewitter, Karl Schönherr und Felix Mitterer werden in der vorliegenden Arbeit Vorüberlegungen und Hinweise zur Gattung 'historisches Volksstück' geboten, wobei nicht nur deren formale und thematische Beschaffenheit, sondern auch das Geschichtsbild, das die gewählten Texte vermitteln, erörtert wird. Die Analyse zeigt, dass das Genre - das hier auf paradigmatische Beispiele der dramatisierten Biographie aus der Zeit um 1900 sowie um 2000 und auf das Motiv des gescheiterten sozialen oder politischen Rebellen beschränkt wird - im 20. Jahrhundert tiefgehende Veränderungen erfahren hat. 


Petra ŽAGAR (Rijeka)
Märchen und Geschichte in Thomas Manns Roman Königliche Hoheit

In diesem Aufsatz geht es einerseits um das Verhältnis zwischen der Individualität des Künstlers und den Bedürfnissen und Erwartungen der bürgerlichen Gesellschaft des damaligen Deutschlands; anderseits wird versucht zu zeigen, welchen Platz märchenhafte Züge im Roman Königliche Hoheit einnehmen und welchen Einfluss diese auf die Künstlerexistenz und das Künstlerische ausüben. Es ist eine Auseinandersetzung mit Gegensätzlichkeiten, wo das Künstlertum samt märchenhafter Züge ins Bürgerliche durchdringt, sich nicht mehr auseinandersetzt sondern mit-ineinander verflicht und das 'Sein' Klaus Heinrichs bildet. 


Ute KARLAVARIS-BREMER (Rijeka)
Rosa Luxemburg in Alfred Döblins Romantetralogie November 1918

Das Problem der Verbindung von Fiktion und Geschichte wird in Alfred Döblins Romantetralogie November 1918 an der literarischen Gestaltung der historischen Frauengestalt Rosa Luxemburg verfolgt, die im vierten Band der Tetralogie als Protagonistin Rosa nicht nur in ihrer politischen und emotionalen Dimension gezeigt, sondern auch als Figur interpretiert wird, die dem Autor als Medium zum Ausdruck seiner eigenen Lebenssituation im Exil dient. 


 Ulrich DRONSKE (Zagreb)
Geschichte als Naturzustand. Zu Döblins Roman Wallenstein.

Der vorliegende Text setzt sich mit Döblins Wallenstein auf dem Hintergrund bestimmter literaturtheoretischer Texte desselben Autors kritisch auseinander. Deutlich gemacht wird die zutiefst inhumane Dynamik, die dieses literarische Werk dominiert, insofern es in einem gewalttätigen Erzählvorgang gesellschaftliche Gewaltvorgänge als Naturereignisse inszeniert. 


Helga MITTERBAUER (Graz)
"Der Zufall ist nicht blind". Franz Bleis Talleyrand (1932) - eine Warnung vor dem Totalitarismus

Franz Bleis historische Biographie des französischen Staatsmanns Talleyrand zeichnet sich (wie schon frühere Werke des Autors) durch eine hohe geschichtsphilosophische Reflexivität aus. 1932, nach rund zehnjähriger Entstehungszeit, übt das Werk Kritik an der Politik im Allgemeinen und am Krieg im Besonderen. Insbesondere kann der Text, den Blei selbst als "Testamentum spirituale" für die Deutschen bezeichnet hat, als Warnung vor dem zunehmenden Nationalsozialismus aufgefasst werden. 


Geneviève HUMBERT-KNITEL (Strasbourg)
Können Memoiren zur historischen Erinnerung beitragen? Das Beispiel von Soma Morgenstern (1890-1976) 


Hans-Edwin FRIEDRICH (München)
Politisch reflektierende Geschichtsdramatik im Dritten Reich. Albrecht Haushofers Römertrilogie 


Alma KALINSKI (Zagreb)
Niemand kann unschuldig regieren. Zu einigen geschichtsphilosophischen Aspekten der Romantrilogie Manès Sperbers

Sperbers Romantrilogie Wie eine Träne im Ozean lässt sich zwar gut als ein mit starken autobiographischen Zügen versehener historischer Roman lesen, in dem die politischen und geschichtlichen Ereignisse in Europa der 30-er und 40-er Jahre des 20. Jahrhunderts thematisiert werden. Das Werk ist aber auch als eine Art Phänomenologie des historischen Bewusstseins anzusehen: So problematisiert ein großer Teil der Trilogie das Phänomen des kritischen Bewusstseins, vertreten durch die Romanfigur Stettens, sowie die ihm entsprechende geschichtsphilosophische Auffassung, die nicht nur theoretische Fragen erörtert, sondern sich auch als Kritik an der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Praxis versteht.  


Günter HÄNTZSCHEL (München)
Wolfgang Koeppens München - Bühne der Zeitgeschichte 


Yvonne WOLF (Mainz)
Der meditative Blick auf die Geschichte. Zum Erzählverfahren von Hermann Lenz in Die Augen eines Dieners 


Dragutin HORVAT (Zagreb)
Der Butt - ein historischer Roman?

Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit man im Falle des Butt die erzähltechnischen Verfahren von Grass als eine Destruktion oder als eine Art parodistischer Verformung des Gattungstypus 'historischer Roman' bezeichnen kann. Die Analyse des Romans zeigt jedoch, dass das Erzählen im Butt als ein Versuch von Grass zu verstehen  ist, mit neuen Mitteln eine alte Romanform zu restaurieren, um sie der Sensibilität des heutigen Lesers anzupassen. So will Der Butt unter anderem auch die Leser dazu provozieren, eigene Stellungnahmen zur Erfahrungswirklichkeit zu prüfen und eigene Vorstellungen vom Phänomen 'Geschichte' zu hinterfragen.  


Željko UVANOVIĆ (Osijek)
Postmodernes in Stefan Heyms Der König David Bericht

Stellt Heyms Roman eine Art Satanic verses gegen das Alte Testament und dessen historiographische Glaubwürdigkeit dar? Jedenfalls wird in ihm in postmoderner Form und mit postmodernen Aussagen die Geschichte der ersten israelitischen Gründungszeit, die von den Königen Saul, David und Salomo geprägt ist, einer subversiven, verfremdenden Revision unterzogen. Explizite historiographische Metafiktion, Montage, Intertextualität, pla(y)giarism, und labyrinthische Struktur bestimmen die postmoderne Form des Romans, während der Zerfall des jüdisch-christlichen métarécit, Ambivalenz, Heterogenität, Skepsis, Konstruktivismus und Indifferenz die postmoderne Aussagefolie des Romans bilden. 


Milka CAR (Zagreb)
Zu Enzensbergers Roman Der kurze Sommer der Anarchie. Historischer Roman zwischen Dokumentarismus und historiographischer Metafiktion 


Matthias BAUER (Mainz)
Subversive Supplemente in Detlef Opitz' Klio ein Wirbel um L. Der historische Roman zwischen Geschichtsklitterung und Dekonstruktion 


Wolfgang DÜSING (Mainz)
Deutsche Geschichte im Spiegel von Volker Brauns Nibelungendrama

Die Interpretation von V. Brauns Nibelungendrama versucht, die zugrunde liegende Geschichtsauffassung herauszuarbeiten. Die Aufhebung der Sukzession der Zeiten durch einen bewussten Anachronismus der Darstellung führt zur Auflösung bisheriger Rezeptionsklischees des Nibelungenliedes, zur Parodie des Tragischen, zur Kritik des Heldentums und des Untergangsmythos, aber auch zur Erkenntnis, dass im "Unerledigten" der Geschichte die Zukunft liegt. 


Vlado OBAD (Osijek)
Geschichte als Komödie bei Friedrich Dürrenmatt

Im Unterschied zum ehrwürdigen historischen Drama des 19. Jahrhunderts verwandelt Dürrenmatt die Geschichte in eine Komödie der menschlichen Ohnmacht. Seine "ungeschichtlichen historischen Komödien" streben keine geschichtliche Authentizität an, sie sind vielmehr eine verzerrte Darstellung unserer chaotisch gewordenen Gegenwart und eine effektvolle Theaterkulisse für die Weltanschauung des Autors. Er genießt dabei die parodistische Umformung des geschichtlichen Stoffes, und dem Rezipienten wird die spannende Aufgabe des Durchschauens der historischen Maskerade auferlegt. 


Jürgen KOST (Mainz)
Das historische Drama des 20. Jahrhunderts zwischen Dokumentarismus und Fiktionalität - Peter Weiss und Friedrich Dürrenmatt. Überlegungen zum Gattungsbegriff des Geschichtsdramas 


Sven HANUSCHEK (München)
"Jeder Zeuge ist ein falscher Zeuge". Fiktion und Illusion in Marcel Beyers Roman Flughunde (1995)

Marcel Beyers Roman Flughunde (1995) gilt unumstritten als adäquater Versuch eines Nachgeborenen über Nationalsozialismus und Holocaust. Der Aufsatz zeigt mit Hilfe des von Droysen in seiner Historik entwickelten methodischen Instrumentariums, dass es gegenläufige ästhetische Strategien sind, die zum Erfolg des Romans bei den unterschiedlichen rezeptiven Gruppen Publikum, Literaturkritik und Germanistik geführt haben. 


Svjetlan LACKO VIDULIĆ (Zagreb)
Marlene Streeruwitz' Nachwelt (1999) und Lilian Faschingers Roman Wiener Passion (1999)

Die Arbeit bespricht zwei Frauenromane aus dem Jahr 1999, die sich kritisch mit herrschenden Mustern historischen Bewusstseins bzw. historiografischer Reflexion auseinandersetzen. Die Interpretation der jeweiligen Geschichtsbilder geht mit der Aufdeckung funktionaler Zusammenhänge zwischen expliziter Geschichtsreflexion, dargestellter Geschichte, den Formen der Darstellung und den geschichtstheoretischen Implikationen dieser Darstellungsformen einher. Im Zentrum steht die Frage nach der spezifisch weiblichen Geschichtserfahrung, die in diesen Romanen zur Sprache gelangt.


(vollständiger Titel der Publikation: Marijan Bobinac, Wolfgang Düsing, Dietmar Goltschnigg (Hg.): TENDENZEN IM GESCHICHTSDRAMA UND GESCHICHTSROMAN DES 20. JAHRHUNDERTS, Zagreb 2004)